Herkömmlich gezüchtetes Getreide könnte bald patentierbar werden, mit simplen Tricks, die der Kommissionsvorschlag zur Deregulierung des Gentechnikrechts ermöglicht. (Foto: Imago)

Patentbeschleuniger Neue Gentechniken

Selbst Befürworter des EU-Plans zur Deregulierung des Gentechnik-Gesetzes fürchten den Hunger auf Patente.

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Lockerung des Gentechnikrechts vom 5. Juli birgt reichlich Konfliktpotenzial. Die Agrochemie-Lobby feiert ihn, auch der Bauernverband sieht gute Ansätze, Öko- und Naturschutzverbände schlagen Alarm. Einigkeit herrscht nur beim Thema Patente auf Tiere und Pflanzen, die auch der Bauernverband und der Verband der Deutschen Pflanzenzüchter ablehnen. Dass sich ein gelockertes Gentechnikrecht und strenge Regeln der Patentierung nicht ausschließen, hoffen noch manche. Dabei übersehen sie die Flut von Patenten, die bereits heranrollt

Service für die Industrie
Die EU-Kommission begründet ihr Vorhaben zur Deregulierung damit, dass Pflanzen, die mit Hilfe neuer genomischer Techniken erzeugt wurden, nicht von konventionell gezüchteten Pflanzen zu unterscheiden sind. Verbraucher:innen kritisieren zurecht, dass die Herstellungsmethode intransparent bleiben soll. Denn Wahlfreiheit gibt es nur mit einer Kennzeichnung des Endprodukts. Laut dem Kommissionsvorschlag muss allerdings nur das Saatgut in einem öffentlichen Register gekennzeichnet sein.

Das wirkt wie ein Trostpflaster auf eine versehrte Transparenz. Konsument:innen hilft das Register nicht. Es ist vielmehr eine Garantie für Konzerne, ihre Rechte an geistigem Eigentum geltend machen zu können. Der ehemalige Grünen-Politiker und heutige Bayer-Lobbyist Matthias Berninger betonte in einem FAZ-Artikel zwar, man wolle großzügig sein „gegenüber Kleinbauern in Subsistenzwirtschaft, die das Saatgut nicht kommerziell nutzen“, doch „wie bei anderen Technologien ist auch bei den neuen Genomtechniken der Schutz des geistigen Eigentums von entscheidender Bedeutung“.

Lukratives Geschäft
Tatsächlich lässt der Gesetzesentwurf die Frage der Patente völlig außer Acht. Mehr als 100 Organisationen, darunter Bioland,haben Anfang Juli einen offenen Brief an die EU-Kommission geschrieben. Darin äußern sie große Sorge vor einem undurchschaubaren Patentdickicht. Nicht nur die Intransparenz ist ein Problem. Es entsteht ein lukratives Geschäftsmodell, in dem Saatgutkonzerne Daten von genetischem Material sammeln – und besitzen.

Grundsätzlich sollen zwar keine Patente auf Pflanzensorten erteilt werden. Wohl aber für Pflanzeneigenschaften, die sortenübergreifend anwendbar sind. Werden Pflanzen mittels gentechnischer Methoden hergestellt oder wird eine Mutation in einer Pflanze mit technischen Mitteln hervorgerufen, gilt das als „biotechnologische Erfindung“ und ist patentierbar.

Dass die Genschere nicht immer notwendig ist, zeigt ein Bericht der Organisation „Keine Patente auf Saatgut“. Beispielsweise hat Syngenta/ChemChina ein Patent auf Sojapflanzen mit Resistenz gegen den Asiatischen Sojarost angemeldet. Die Beschreibung zeigt deutlich, dass die Neue Gentechnik dazu nicht erforderlich war. Um Patente auf klassisch gezüchtete Pflanzen zu erhalten, fügen die Unternehmen spezifische Formulierungen in die Patentanmeldungen ein, die den Einsatz gentechnischer Verfahren suggerieren.

Der Plan der EU-Kommission ebnet insofern den Weg für eine Flut von Patenten – auch auf klassisch gezüchtete Pflanzen. Das sollte skeptisch stimmen, wer Hoffnungen in die Genom-Editierung setzt.

Zum Offenen Brief zu Patenten
Zum Bericht von „Keine Patente auf Saatgut”

Kritische Kernpunkte

Der Plan des neuen EU-Gentechnikgesetzes


■ Einteilung der durch die neuen Züchtungstechniken erzeugten Pflanzen in zwei Kategorien:

  1. Kategorie 1: bis zu 20 Veränderungen im Erbgut; soll NGT-Pflanzen umfassen, die auch natürlich oder durch konventionelle Züchtung“ erzeugt werden könnten. Kategorie 1 heißt: kein Zulassungsverfahren, keine Risikobewertung, Rückverfolgbarkeit oder Kennzeichnung am Endprodukt
  2. Kategorie 2: Alle anderen NGT-Pflanzen sollen ein „angepasstes“ Zulassungsverfahren inklusive Risikoprüfung durchlaufen.

■ Im ökologischen Landbau sollen alle NGTPflanzen – auch die der Kategorie 1 – verboten bleiben; wie die Umsetzung sichergestellt werden soll, beschreibt der Gesetzesentwurf nicht.

■ EU-Mitgliedstaaten dürfen auf ihrem Gebiet den Anbau oder die Verwendung von NGTPflanzen nicht einschränken oder verbieten,die Opt-out-Option gilt nicht mehr.

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