Eine Ernährung, die die planetaren Grenzen respektiert, ist volkswirtschaftlich sinnvoll, so die Studie. (Foto: Imago)

Globale Agrarwende lohnt sich

Wirtschaftsforscher:innen haben Kosten und Nutzen der Transformation weltweit bilanziert: Weiterhin warten ist teuer.

Eine umfassende Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme könnte jährliche sozioökonomische Gewinne in Höhe von 5 bis 10 Billionen US-Dollar bringen. Das zeigt ein neuer globaler Bericht, der von führenden Forschenden der Ökonomie und aus der Food System Economics Commission (FSEC) erstellt wurde. Die Studie hat die Ökonomie von Agrar- und Ernährungssystemen sehr umfassend betrachtet. Dabei wurde deutlich, dass die globalen Ernährungssysteme derzeit mehr zerstören als sie Wertschöpfung erbringen. Die verborgenen Kosten der Lebensmittelwirtschaft summiert die FSEC seit dem Klimaabkommen von Paris laufend.

Die neueste Studie zeigt: Es ist dringend erforderlich, die politischen Rahmenbedingungen für Ernährungssysteme zu überarbeiten. Die Kosten der Transformation wären darüber hinaus viel geringer als der potenzielle Nutzen: viele Hundert Millionen Menschen könnten ein besseres Leben führen. Die Studie stellt unter anderem die Klimawirkung des existierenden Ernährungssystems in Rechnung.

Aktuelle Systeme heizen das Klima auf
„Die Kosten, die dadurch entstehen, dass wir das schlecht funktionierende Ernährungssystem nicht aktiv umgestalten, werden noch höher ausfallen als die Schätzungen dieses Berichts, da sich die Welt weiterhin auf einem extrem gefährlichen Kurs befindet. Wir werden wahrscheinlich nicht nur die 1,5°C-Grenze überschreiten, sondern auch mit einer jahrzehntelangen Überschreitung konfrontiert sein", erklärt Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Initiator der FSEC. „Der einzige Weg, um wieder auf 1,5°C zu kommen, ist der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, die Bewahrung der Natur und die Umwandlung der Agrar- und Ernährungssysteme von einer Quelle für Treibhausgase hin zu einer Senke. Damit hängt die Zukunft der Menschheit auf der Erde von diesem globalen Ernährungssystem ab", fügt er hinzu.

Langfristiger Vergleich der Ernährungssysteme
Der Bericht hat die Folgen von zwei möglichen Zukunftsszenarien für das globale Ernährungssystem bis 2050 vorausberechnet: unseren derzeitigen Pfad der aktuellen Trends und den Pfad der Transformation des Ernährungssystems.

Behalten wir die aktuellen Trends bei und die politischen Entscheidungsträger halten alle derzeitigen Verpflichtungen ein, so existiert die Ernährungsunsicherheit in einigen Teilen der Welt fort. 640 Millionen Menschen (darunter 121 Millionen Kinder) sind 2050 unterernährt, während die Fettleibigkeit weltweit um 70 Prozent zunehmen wird. Die Ernährungssysteme werden weiterhin für ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sein und so auch bis zum Ende des Jahrhunderts zu einer Erwärmung von 2,7 Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten beitragen. Zudem wird die Nahrungsmittelproduktion zunehmend anfällig für den Klimawandel, weil Extremereignisse wahrscheinlicher werden.

Transformation zur Kohlenstoffsenke
Andererseits könnte ein transformiertes Ernährungssystem stattdessen einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten und Lösungen für Gesundheits- und Klimaprobleme vorantreiben, so der FSEC-Bericht. Dadurch ließe sich Unterernährung überwinden, insgesamt könnte man 174 Millionen Menschen vor einem vorzeitigen Tod durch ernährungsbedingte chronische Krankheiten bewahren. Die Ernährungssysteme könnten bis 2040 zu Netto-Kohlenstoffsenken werden. So könnten sie beitragen, die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf unter 1,5 Grad zu begrenzen, zusätzliche 1,4 Milliarden Hektar Land zu schützen, die Stickstoffüberschüsse aus der Landwirtschaft fast zu halbieren und den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Darüber hinaus könnten 400 Millionen Beschäftigte in der Landwirtschaft auf der ganzen Welt ein ausreichendes Einkommen erzielen.

Die Kosten für diese Transformation veranschlagt die Studie auf 0,2 bis 0,4 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung pro Jahr. „Ernährungssysteme haben ein einzigartiges Potenzial, um globale Klima-, Umwelt- und Gesundheitsprobleme gleichzeitig anzugehen - und damit Hunderten von Millionen Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen", sagt Hermann Lotze-Campen, FSEC-Kommissionsmitglied und Leiter der Forschungsabteilung für Klimaresilienz am PIK.

„Anstatt unsere Zukunft mit einer Hypothek zu belasten und steigende Kosten anzuhäufen, die zu hohen versteckten Gesundheits- und Umweltkosten führen, sollten sich die politischen Entscheidungsträger der Herausforderung der Agrar- und Ernährungswende stellen. Jetzt müssen Veränderungen vorgenommen werden, die kurz- und langfristig weltweit enorme Vorteile bringen werden", sagt Ottmar Edenhofer, PIK-Direktor und FSEC-Ko-Vorsitzender.

Der FSEC-Bericht soll die dringend benötigte Diskussion zwischen den wichtigsten Interessengruppen darüber anstoßen, wie die Menschheit diese Vorteile nutzen kann, ohne jemanden zurückzulassen.

 

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