Für gute Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette braucht es gemeinsame Ziele und nicht einen Katalog der verbotenen Gemeinheiten. (Foto: Sonja Herpich)

Fairness im Praxis-Check

Ein Gesetz genügt nicht, um faire Handelspraktiken durchzusetzen. Praktiker:innen, Lizenz- und Gesetzgeber diskutierten auf der Biofach.

„Der Wandel hin zu einer fairen und ökologischen Marktwirtschaft braucht einerseits klare gesetzliche Rahmenbedingungen, aber zugleich auch ein positives Bild davon, wo man gemeinsam hinwill“, erklärte Matthias Fiedler, Geschäftsführer des Forum Fairer Handel (FFH) und Koordinator der Allianz Faire und ökologische Marktwirtschaft (FÖM). Von der Politik seien mit der Reform des Agrarmarktstrukturgesetzes erste wichtige Schritte getan, um unfaire Handelspraktiken zu beenden. Der FÖM gehe es nun darum, mit den Handelsunternehmen, die sich durch die Unterzeichnung einer freiwilligen Verpflichtungserklärung zu fairen Handelspraktiken bekennen, in einen regelmäßigen Dialog zu treten. Die Allianz hoffe, dass die freiwillige Vereinbarung einen „We-are-watching-you“-Effekt erzeuge.

Integrierte Fair-Play-Regeln in einer Bio-Verbands-Zertifizierung erläuterte der Geschäftsführer der Bio Suisse Balz Strasser. Auch in der Schweiz demonstrieren die Bauern für eine gerechtere Verteilung innerhalb der Wertschöpfungskette. „Jeder Akteur in der Bio-Wertschöpfungskette muss und darf etwas verdienen. Sonst ist es kein nachhaltiges System. Margen müssen jedoch auf jeder Stufe in einem fairen Verhältnis bleiben. Diesen Punkt thematisieren wir regelmäßig mit unseren Partnern, denn Lösungen finden sich eher im gemeinsamen Gespräch“, sagte Strasser auf dem Biofach-Podium der FÖM-Allianz. Wichtig sei, dass die Märkte transparent und im Gleichgewicht blieben, dann gebe es weniger Spannungen. „Oft geht es gar nicht um Franken oder Euro, sondern um die Wertschätzung und die Form der Zusammenarbeit“, konstatierte Balz Strasser.

Toralf Richter, Ombudsmann für faire Handelsbeziehungen bei der Bio Suisse, wies in der Diskussion auf die langfristige Planungssicherheit hin, nur damit könne Vertrauen aufgebaut werden. Es sei jedoch ein großer Unterschied, ob man mit der Nachhaltigkeits- oder mit der Einkaufsabteilung eines Handelsunternehmens spreche. „Die Einkaufsabteilung braucht die Rückdeckung von oben, wenn sie günstigere Angebote ausschlagen und längerfristig mit den Partnern zusammenarbeiten will“, sagte Richter.

Gesetz seit 2019
Zur Bekämpfung unfairer Praktiken existiert seit 2019 eine EU-Richtlinie, die mit dem Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich (AgrarOLkG) in nationales Recht übertragen wurde. „Im Prinzip ist es ein Katalog an Scheußlichkeiten, die Käufer in der Lieferkette nicht tun sollen“, erläuterte Dr. David Jüntgen, BLE-Referatsleiter Unlautere Handelspraktiken. Das Gesetz verbiete beispielsweise überlange Zahlungsziele, die Rücksendung bestellter Ware ohne Zahlung oder das kurzfristige Beenden von Verträgen. Es stelle jedoch kein generelles Unfair-Gebot auf. Damit gebe es Wege, den Katalog zu umgehen und keine staatlichen Sanktionen bei unfairem Verhalten. Sein Fazit: „Durch das Gesetz hat sich schon etwas geändert, doch es reicht noch nicht. Faires Handeln braucht Spielregeln und einen Schiedsrichter, der einschreitet, wenn es nötig ist.“

Zusätzliche Zertifikate bieten mehr
Eine freiwillige Unternehmenszertifizierung stellte Karin Artzt-Steinbrink, Vorsitzende des FairBio-Vereins und Geschäftsführerin der Upländer Bauernmolkerei vor. Das FairBio-Label will das Thema Fairness für heimisches Bio stärker ins Bewusstsein der Verbraucher rücken. Es steht für heimische Rohstoffe, reine Biounternehmen, faire Löhne, faire Preise für Landwirte, eigenständige Unternehmen (keine Konzerne) sowie Transparenz im Warenbezug. Fairness wird durch eine unabhängige Kontrollstelle überprüft, dabei können die Landwirte ein Feedback an den Zertifizierer geben ─ ein Novum in der Branche. „Lösungen bestehen darin, für mehr Transparenz zu sorgen. Denn am Ende entscheiden immer die Konsumenten und die wissen ja in der Regel gar nicht, wie die Preise zustande kommen“, sagt FairBio-Vorständin Karin Arzt-Steinbrink.

Statt einseitiger Preis- und Konditionenorientierung müsse ein Belohnungssysteme für eine Transformation in Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit, Fairness installieren werden, forderte Gepa-Geschäftsführer Peter Schaumberger. „Die Motivation der Einkäufer:innen, deren Boni sich nur nach den erzielten Preisvorteilen richtet, muss durch Anreizsysteme für mehr Nachhaltigkeit verändert werden.“

 

Allianz Faire und Ökologische Marktwirtschaft

Die Allianz „Faire und Ökologischen Marktwirtschaft“ (FÖM)  will mit einem positiven Ansatz für mehr Gerechtigkeit in der Lieferkette sorgen. Sie hat dafür fünf Fair Play-Regeln in einer Verpflichtungserklärung festgelegt:

  • Die Konditionen der Verträge sind verständlich formuliert und werden partnerschaftlich auf Augenhöhe verhandelt
  • Die Kosten für Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards sind von Handel und Hersteller gemeinsam zu tragen
  • Jedes Unternehmen trägt das wirtschaftliche Risiko für seinem Geschäftsbereich eigenverantwortlich
  • Investitionszuschüsse werden nur im beiderseitigen Interesse vereinbart
  • Verträge führen nicht zu einseitigen finanziellen Belastungen der Parteien.

Als erste Handelsunternehmen haben sich Aldi und Rewe zur Einhaltung der Fair-Play-Regeln verpflichtet.  In der FÖM-Allianz sind derzeit AöL, AbL, Bioland, Demeter, FairBio, Forum Fairer Handel, Gepa, Kloth &Köhnken sowie Naturland aktiv. Die FÖM-Allianz hat eine Meldestelle eingerichtet, bei der die Mitglieder mögliche Beschwerden gegen die Unterzeichner einreichen können. 

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