Zukunftsprogramm Pflanzenschutz enttäuscht
In Deutschland werden zu viele Pestizide ausgebracht. Das ist auch auf politischer Ebene bekannt. Dennoch sinken die Absatzzahlen für chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel seit Jahrzehnten nicht. Der Bioland-Verband vermutet, dass daran auch das neue Zukunftsprogramm Pflanzenschutz des Bundesagrarministeriums nichts ändern wird. Der Name des Programms verkomme zur Farce.
"Der im März dieses Jahres vorgelegte Entwurf zum Zukunftsprogramm Pflanzenschutz war bereits enttäuschend – die überarbeitete und jetzt vorgestellte Fassung frustriert nun aber gänzlich“, kommentiert Gerald Wehde, Geschäftsbereichsleiter Agrarpolitik bei Bioland. Statt im Sinne der Umwelt und Menschen nachzuschärfen, wurde das Papier weiter abgeschwächt. Enthielt der Entwurf noch Überlegungen, wie sich externe Kosten etwa über eine Pestizidabgabe oder andere Steuerungselemente wie Lizenzsysteme internalisieren ließen, fehlen im final vorgestellten Papier diese Überlegungen völlig.
Immerhin findet sich das Pestizid-Reduktionsziel von 50 Prozent bis 2030 aus der Farm-to-Fork-Strategie der EU in dem Papier des BMEL. Es fehlen aber wirksame Maßnahmen mit verbindlichen Umsetzungsschritten und Zeitplänen. "Ein Programm ohne Finanzmittel ist nicht glaubwürdig", betont Wehde. Er vermisst ebenso eine klare Priorisierung der Maßnahmen für diese Legislatur. "Mit unkonkreten Absichtserklärungen wird eine Reduzierung des Pestizideinsatzes nicht gelingen", warnt er.
Dabei besteht auch EU-rechtlich großer Handlungsdruck. Deutschland ignoriert seit 13 Jahren EU-Recht, da es die Vorgaben der EU-Pestizid-Rahmenrichtlinie 2009/128/EG Sustainable Use Directive (SUD) zum Integrierten Pflanzenschutz bisher nicht verbindlich umgesetzt hat. Auch die veralteten Regelungen zur "guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz" entsprechen nicht den Anforderungen der SUD.
Statt weiterer unverbindlicher Papiere brauche es einen wirksamen Maßnahmenkatalog zur Pestizidreduktion, um die Lebensgrundlagen zu schützen. "Zentrales Lenkungsinstrument muss die Einführung einer Pestizidabgabe sein", fordert Wehde. Dadurch könnte der Einsatz von Pestiziden in Deutschland halbiert werden, zeigt eine Studie des Helmholtz‐Zentrum für Umweltforschung im Auftrag eines breiten Bündnisses. Angesichts knapper Kassen könnten so zusätzlich ohne bürokratischen Aufwand Gelder zur Unterstützung einer pestizidfreien Produktion generieren werden, so Wehde. "Die Wirkung eines solchen Instruments ist durch Studien und Erfahrungen in anderen Ländern erfolgreich belegt."
Im November 2022 hat das BMEL ein Pestizid-Reduktionsprogramm angekündigt. Mit großer Verzögerung hat das Ministerium Mitte März 2024 eine "Diskussionsgrundlage für die Erarbeitung eines Zukunftsprogramms Pflanzenschutz" vorgelegt. Damit wurde das Papier bereits begrifflich abgeschwächt. Nach dem Beteiligungsprozess hat das BMEL das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz den Verbänden am 4. September vorgestellt.
Seit Jahrzehnten nimmt der Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden in Deutschland nicht ab. Der 2013 von der Bundesregierung verabschiedete Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) zeigt keinerlei Wirkung. Das belegen auch die Daten zum Inlandsabsatz.