Die Kritik der Öko-Branche gilt weiter: Auch neue Gentechniken (NGT) sind mit Patenten verbunden und in Bio-Produkten nicht erwünscht. (Imago)

EU-Parlament gentechnikfreundlich

Die Abgeordneten haben das Gesetzgebungsverfahren vorangebracht. Dabei ist die Frage der Koexistenz mit dem Ökolandbau weiter ungeklärt.

Das Plenum des Europäischen Parlaments (EP) hat Ende April für eine weitgehende Deregulierung von Pflanzen gestimmt, die mit Neuer Gentechnik (NGT) entstanden sind. Deren Produkte sollen demnach in den meisten Fällen ohne Risikoprüfung vermarktet werden dürfen. Das EP hat damit die erste Lesung des Entwurfs abgeschlossen. Nach der Europawahl im Juni wird der Gesetzgebungsprozess fortgesetzt werden und irgendwann in einen Trilog zwischen EP, Rat der Mitgliedstaaten und EU-Kommission münden.

Nach der Europawahl geht der Gesetzgebungsprozess allerdings mit einem neuen Parlament weiter. Der Infodienst Gentechnik hat bei der Pressestelle des EP angefragt, wie bindend die jetzige Position für den Fortgang ist. Die Auskunft der Pressestelle: „Das neue Parlament ist da ganz frei. Man kann mit dem Text weitermachen oder aber in zweiter Lesung noch Änderungsanträge einbringen.“

Allerdings wäre eine Mehrheit im Parlament nötig, um die Diskussion neu aufzurollen. Darüber entscheiden im Juni die Wählerinnen und Wähler bei der Europawahl. Den Umfragen zufolge könnte die Wahl zu einem Rechtsruck im Parlament führen. Deshalb ist eher zu befürchten, dass das neue Parlament einige neuere Ergänzungen des Kommissionsvorschlags wieder rückgängig machen könnte wie die Kennzeichnungs- und Rückverfolgbarkeitspflicht für alle Lebensmittel mit NGT. Die jüngste Abstimmung im Parlament endete mit 336 Pro-, 238 Gegenstimmen und 41 Enthaltungen.

Aus Sicht der Öko-Branche kommentierte BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres die Entscheidung: „Obwohl das Parlament – wie zuvor die EU-Kommission – erkannt hat, dass NGT aus der ökologischen Produktion ausgeschlossen bleiben muss, fehlen weiterhin konkrete Vorgaben, die ökologisch wirtschaftenden Betrieben und Unternehmen auch zukünftig eine Lebensmittelerzeugung ohne eine faktische Zwangsnutzung von Gentechnik ermöglichen. Die vom Parlament unterstützte Kennzeichnungspflicht für NGT-Produkte reicht hierfür nicht aus.“

Auch die Sorge vor Patenten auf Leben treibt Tina Andres um: „Anstatt das Problem der Patentierung von NGT-Pflanzen ernsthaft anzugehen, verliert sich die Parlamentsmehrheit in Wunschvorstellungen ohne rechtliche Relevanz. Die konservativen und liberalen Abgeordneten wollen per Absatz in der neuen Verordnung Patente auf NGT-Pflanzen ausschließen. Es wäre genauso effektiv, in die Verordnung zu schreiben, dass es im Juni nicht regnen soll – beides wird die Realität wenig beeindrucken!“

Die Haltung des neuen Parlaments dürfte sich bereits im Juli zeigen. Dann wird im Umweltausschuss des EP die EU-Lebensmittelbehörde EFSA Stellung nehmen zur Kritik der französischen Lebensmittelbehörde Anses. Diese hatte die von der EFSA erarbeiteten Kriterien, nach denen NGT-Pflanzen von einer Regulierung ausgenommen werden sollen, als unwissenschaftlich bezeichnet.

Parallel werden die Landwirtschaftsminister:innen der EU-Staaten weiter daran arbeiten, eine gemeinsame Position zu finden. Da im Juli das gentechnikkritische Ungarn die Ratspräsidentschaft übernimmt und Anfang 2025 das ebenfalls kritische Polen folgt, dürften die Kritiker des Kommissionsentwurfs im Ministerrat eher Aufwind bekommen.

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