Über die ökologische Transformation des Ernährungssystems debattierte die Branche bei der Biofach im neuen Format SustainableFutureLab. Die Eigenschaft „regenerativ“ versuchen nicht-ökologische Unternehmen zu besetzen. (Foto: NürnbergMesse/Frank Boxler)

Bio aus der Bubble ziehen

Pioniere diskutierten zur Biofach die Zukunft von Bio im wandelnden Umfeld: Ein Schulterschluss mit Initiativen statt Warten auf Politik.

„Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Finger in die Wunde zu legen, damit die Bio-Branche zukunftsfähig ist“, sagte Julian Stock, Leiter Nachhaltigkeit bei Good Food Collectiv (GFC). Das GFC ist ein junges Netzwerk mit rund 80 Unternehmen, die ihre unterschiedlichen Engagements unter einen Hut bringen. Ihr Ansatz: Wenn die Welt Lösungen braucht, die Gesellschaft sie sich wünscht und die Politik nicht im erforderlichen Maß reagiert, müssen die Konzepte dafür aus der Wirtschaft kommen. „Wir brauchen ein anderes Wirtschaften und ein anderes Konsumverhalten. Unser Ziel ist es, diese andere Wirtschaftskultur aus der Bubble zu ziehen“, erklärte Stock.

„Wir brauchen einen Umbau des gesamten Wirtschaftssystems. Die Zukunft von Bio hängt davon ab, dass wir zusammenarbeiten“, stimmte Kathrin Jäckel vom Bundesverband Naturkost und Naturwaren zu. Es gebe bereits viele gute Initiativen, die aber bislang nicht in der Gemeinschaft angepackt werden. Der Nutzen für die eigene Marke stehe leider meist im Vordergrund. Auch die Pioniere sollten sich immer wieder selbst hinterfragen und neu erfinden“, fand Julius Palm, bei Followfood für Strategie und Marke zuständig. Der einzigartige Mehrwert eines Produktes ─ Unique Selling Point ─ von vor 15 Jahren sei heute nicht mehr aktuell.

Debatte um Position von „Regenerativ“
Neben neuen Marktteilnehmern und Vertriebswegen sorgen neue Begriffe für einen Umbruch im Bio-Markt. So puschen derzeit große konventionelle Player wie Nestle oder Syngenta gezielt den Begriff „Regenerativ“ und positionieren sich damit als besser als Bio. In der Biofach-Umfrage bei den Teilnehmer:innen der Veranstaltung bewerteten knapp die Hälfte „Regenerativ“ als das „neue“ Bio. Der Öffentlichkeit werde derzeit suggeriert, „Regenerativ“ würde anstelle von Bio die Probleme lösen, bedauert Alnatura-Chef Rüdiger Kasch. Für die Kunden werde es damit immer schwieriger, den Überblick zu behalten.

„Da es für das Label ‚Regenerativ‘ keine Standards gebe, können sich Großkonzerne damit nachhaltig positionieren, ohne viel an ihrer Produktionsweise zu ändern“, kritisierte Journalist Leo Frühschütz. Bio brauche eine Zertifizierung, die konkrete regenerative Maßnahmen beinhalte. Damit könne man verhindern, dass die konventionellen Konzerne den Begriff kapern. „Die Pioniere im regenerativen Bereich sind ja Bio-Betriebe. Sie testen neue Anbaumethoden und bauen gezielt Humus auf. Da ist der Bio-Anbau in der Praxis doch ganz weit vorn“, so Frühschütz. Er appellierte an die Bio-Unternehmen, sich mit Gemeinwohl und Fairness stärker gegenüber der konventionellen Konkurrenz zu profilieren.

Nachhaltigkeit von Bio erzählen
Bio-Unternehmen, die an einer fairen, nachhaltigen und besseren Welt arbeiten, sollten dies den Menschen noch besser mitteilen, forderte eine Vertreterin von Slow-Food. Man müsse den Menschen immer wieder erklären, dass sie selbst Teil der Geschichte sind und Lebensmittel mehr als nur ein Markt seien. Fazit des ersten Sustainable Future Lab auf der Biofach: Die Story von Bio und Nachhaltigkeit ist noch nicht auserzählt und das Potenzial von Bio noch lange nicht ausgeschöpft.

 

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